Google, Amazon, Facebook und die Macht: Dave Eggers Roman „Der Circle“
Gegen die großen Internetkonzerne mehrt sich der Widerstand: Amazon ist derzeit ständig in den Schlagzeilen, verschiedene Verleger versuchen, sich gegen „erpresserische“ Methoden des Online-Versandhauses zu wehren. Die Beschwerde der VG Media und einiger Verlage gegen Google wurde gerade vom Kartellamt zurückgewiesen. Bei dieser Beschwerde ging es um das Leistungsschutzrecht, also ganz einfach gesagt darum, unter welchen Bedingungen bei Google-News Auszüge aus Pressetexten gezeigt werden dürfen.
Im Internet geht anscheinend ohne Google, Facebook und Amazon wenig. Die Verlage brauchen Amazon als größten Internetbuchhändler, alle großen Unternehmen sind auf Google angewiesen, denn wer bei der Google-Suche nicht auftaucht, ist im Netz quasi nicht existent, und Marketing über die Plattform von Facebook ist längst ein Standard zahlreicher Unternehmen. Was bedeutet diese Konzentration von Macht bei einigen Internetkonzernen und die gleichzeitige, voranschreitende Digitalisierung für den Menschen? Dave Eggers hat einen Roman geschrieben, „Der Circle“, der diese Frage thematisiert. Es ist eine Dystopie, die um das Ende des Privaten kreist, um das digitale Leben, das letztlich alles umfasst, und um die Macht eines Internetkonzerns, der die Welt verbessern möchte.
„Der Circle“ wurde in vielen Feuilletons besprochen und findet auch im Netz eine große Resonanz. Auf feinerbuchstoff wird der Roman zur Lektüre empfohlen. Er habe nicht die visionäre Kraft von Orwells „1984“, sei seiner Zeit also nicht vierzig Jahre voraus, sondern im Gegenteil: „Der Circle“ bezieht seinen Schrecken daraus, dass die dargestellte Zukunft so greifbar, so nahe sei. Es handle sich bei diesen Gefahren um eine neue Form des „Gutmenschentums“, die die Protagonistin im Roman nicht ablehnen dürfe. An der neuen Offenheit nicht teilzunehmen, ist ein Affront und wird sanktioniert. Das wäre entsprechend heute der „Zwang“ bei Facebook oder „Whatsapp“ dabei zu sein. Das digitale Angebot wird als Zwang erlebt.
Auch Simone Meier hebt diese Nähe zum Internet-Alltag hervor und sieht darin die Brisanz des Romans. Sie nennt „Der Circle“ das große Buch der „Netzparanoia“. Stimmig werde dargestellt, wie sich das Individuum im Umgang mit dem Internet verändere, wie es sich dort selbst vermarkte – und von dieser Vermarktung abhängig werde. Dabei sei der Roman ein leicht zu lesender, sogar lustiger Unterhaltungsroman.
Marens Langeweile sieht dagegen gerade die Nähe des Romans zu den aktuellen Debatten um Datenschutz und Privatsphäre als problematisch an. Mae Holland, die Hauptfigur, verhalte sich zu naiv. Die Risiken, die mit dem Ende des Privaten verbunden sind, werden doch bereits diskutiert. Warum weiß die Protagonistin nichts davon? Die Manipulationsversuche des „Circle“ seien deshalb viel zu durchschaubar, viel zu plump. Überraschungsmomente kämen nicht vor.
Noch viel deutlicher kritisiert Torsten Larbig den Roman. „Der Circle“ spiele bloß mit den Ängsten der Menschen und reproduziere Klischees. Neue Erkenntnisse seien durch die Lektüre nicht zu gewinnen. Eggers mache es sich mit seiner Schreckensvision viel zu einfach, als laufe die Welt zwangsläufig auf diese Form des Totalitarismus zu. Bei Larbig verschiebt sich entsprechend der Fokus, er fragt sich, wie die Literaturkritik dazu komme, diesen Roman so zu loben? Ein Roman, der, was viele Kritiker erkannt hätten, in literarischer Hinsicht doch schlecht sei.
Aber der Roman trifft offenbar einen Nerv: Zum einen sind da die Ängste, die mit den neuen Medien, mit der Digitalisierung, mit dem Verlust der Privatsphäre zusammenhängen. Und vielleicht noch mehr entspricht die Kritik, die aus diesen Ängsten erwächst, und die Kritik an den großen Internet-Konzernen einem breiten Publikumsinteresse. Ob daraus fruchtbare Debatten um den digitalen Wandel der Gesellschaft werden, muss sich noch zeigen.